Peter Jenner war Manager für Pink Floyd, T.Rex, The Clash, Ian Dury, Disposable Heroes, Billy Bragg. Der Mann kennt sich aus. Er hat dem britischen Onlinemagazin The Register ein Interview gegeben, der Titel ist "Big labels are fucked, and DRM is dead". Wir alle stecken in einer Sackgasse, und der alte Insider beschreibt den Ausweg.
Die Abänderung des Urheberrechts in den letzten Jahren erzeugt eine Menge Nachteile für Internetnutzer, Musikfans und die Künstler selbst. Vorteile ergeben sich nur für die Musikverlage bzw -Konzerne. Der 62jähige Peter Jenner erzählte dem Register, wie man aus diesem Strudel zunehmender Schwierigkeiten wieder herauskommt.
Zunächst eröffnet er uns, dass selbst die vier grossen Labels nicht mehr an DRM glauben. Weil es nicht funktioniert. Befragt, wie lange das Theater mit "Nutzungslizenen" für online gekaufte Songs noch weiter gehen soll: "Ich denke, in zwei oder drei Jahren wird es in den meisten Ländern pauschale Lizenzen (Kulturflatrates) geben".
Das mag für manche erstaunlich klingen. Warum vertritt ein alter Hase der Musikbranche einen Standpunkt, der eher an die Piratenpartei erinnert? Weil er von Anfang an ein Vertreter und Agent der Künstler ist. Nicht der Vertriebsfirmen.
Das Problem am derzeitigen unhaltbaren Zustand der Branche sieht er bei den Grossen Vier (SonyBMG, EMI, Warner und Vivendi Universal): "Die wissen, dass sie ihre Macht um das Vertriebsmonopol herum aufgebaut haben. So vertuschen sie ihre Inkompetenz, da sie nach aussen die 'einzigen sind, die wissen wie man dieses Geschäft betreibt'. Sie haben eine Menge Geld ausgegeben, um dieses System zu errichten: den Vertrieb, die Black Boxen (s.u.) und die Kontrolle über das Urheberrecht."
Er erklärt weiter, dass mit "Black Box" eine pauschale Kasse gemeint ist, wie sie Verwertungsfirmen (wie die GEMA) führen. Alles Geld, das nicht direkt an einen Urheber überwiesen werden kann, landet dort. Und wird in der Regel an Leute oder Firmen weitergegeben, denen es nicht zustehen würde – da es keine öffentliche Kontrolle der Pauschalabrechnung gibt. Für eine Kulturflatrate wäre aber eine solche öffentliche Kontrole eine Voraussetzung.
Die grossen Musikkonzerne, so erklärt Jenner, befinden sich selbst in einer Falle: als Aktienfirmen müssen sie steigende Profite ausweisen (sonst fällt der Kurs und eine feindliche Übernahme ist der nächste Schritt). Das aktuelle Onlinevertriebsmodell (99 Cent pro Song) begünstigt das, weil die Herstellungs- und Vertriebskosten einer CD wegfallen und gleichzeitig der Urheber (Künstler) weniger Anteile erhält als bei einem herkömmlichen Tonträger.
Als erste Lösung für Musiker nennt er hier den Wechsel zu einem Independent Label, wo die ausgezahlten Anteile beim Vielfachen dessen liegt, das ein Konzern bezahlen würde. Im Online-Vertrieb sieht Jenner andererseits eine bedeutende Wachstumschance für die Industrie: Fans wollen nicht nur die eine Aufnahme auf dem Album hören, sondern auch Livekonzerte, Demoversionen, MashUps, sie wollen Backstagefotos ansehen und das Tour-Weblog der Band lesen. Das alles beträfe aber viele verschiedene Lizenzen und macht ein Gesamtpaket unmöglich – bis es pauschal (als Kulturflatrate) abgerechnet wird. Wenn die Industrie diesen Weg nicht einschlägt, da ist Jenner sicher, wird sie untergehen. Von den juristischen Kollateralschäden dieses Untergangs für die Gesamtgesellschaft wollen wir an dieser Stelle nicht sprechen.
Was Peter Jenner da als Ausweg aus der Existenzkrise der Musikindustrie beschreibt, wird von der bekannten deutschen Industrialband Einstürzende Neubauten bereits verwirklicht. Im Support Projekt erhält der Fan für jährliche 35 Euro eine exklusive CD, monatliche neue Downloads frisch aus dem Neubauten-Tonstudio, Teilnahme an Live-Webcasts und Chat aus dem Proberaum der Band und Community-Artikel wie einen Email-Account auf der Adresse "neubauten.org".
Ganz egal, ob einem nun Pink Floyd, die Neubauten, The Clash oder beliebige andere Bands gefallen oder nicht, dies ist die Lösung des Problems. Und zwischen Heute und einer nahen Zukunft mit einer florierenden, angstfreien Musikbranche stehen genau vier Unternehmen.